GartenPerspektiven
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Landesgartenschau2016-Biodiversitaet-Witt-Pflegeleicht-Naturgarten-Rankweil-naturnah-Begruenung-Naturschutz-Gewerbegebiet
Dieser Beitrag mit Bildern wurde mir freundlicherweise vom Naturgartenplaner Dr. Reinhard Witt zur Verfügung gestellt, und zeigt am Beispiel der Gemeinde Rankweil in Vorarlberg sehr anschaulich, wie naturnahe Begrünung in Industriegebieten und Verkehrsbegleitenden Flächen funktioniert und erfolgreich umgesetzt werden kann.
Bei Dr. Witt habe ich auch meine 2-jährige, berufsbegleitende Fortbildung zum Naturgartenprofi, über die Fachakademie des Naturgarten e.V., erfolgreich abgeschlossen.
Viele Möglichkeiten Naturschutz voran zu bringen zeigt das 20 Hektar große Gewerbegebiet direkt an der Autobahnabfahrt der Gemeinde Rankweil / Österreich
Wilfried Ammann, Christian Breuß, Jens Stritzel, Martin Summer (Bürgermeister)
Dr. Reinhard Witt, D - Ottenhofen
Bautechnik: Dipl. Ing. Fritz Hilgenstock, CH - Niederuzwil
Bauhof Rankweil / Praktikanten
vorwiegend vom Naturgarten-Profikurs IV und V: Katja Alsleben, D - Schönhausen; Wilfried Ammann, A - Rankweil; Franzi Bauer-Masur, D - Lengries; Benedikt Brockmann, D - Bad Münstereifel; Eva Distler, D - Darmstadt; Miriam Distler, D - Wolnzach; Ute Geyer, D - Goldkronach; Martin Hotz, A - Bregenz; Krisztina und Bernhard Krauss, D - Rossbach; Maria Menzinger, D - Freising; Erik Rohrer, D - München; Eugen Sturmlechner, A - Bregenz; Birgit Ueberreiter, D - Leinweiler; Dagmar Wiegel, D - Haar
Impulszone Römergrund, Appenzellerstraße, A - 6830 Rankweil
Ansprechpartner Bürgermeister Martin Summer, Am Marktplatz 1, A - 6830 Rankweil
Video am Ende der Seite
Ein europaweites Leuchtturmprojekt begann 2013 in Rankweil / Vorarlberg
Mehr als die für den Artenschutz optimalen 10 % werden hier angestrebt, und wurden bereits vor dem Bau des ersten Firmengeländes erreicht.
Die Marktgemeinde Rankweil ist durch eine konsequente, naturnahe Neugestaltung ihrer Verkehrsrandflächen und Grünstreifen zu einem Vorbild für andere Gemeinden geworden. Das positive Beispiel nachhaltiger Ansaaten und Pflanzungen kann und soll sich auf die Eigentümer der Betriebsflächen auswirken.
Daraus können die Firmen alle möglichen naturnahen Begrünungselemente auswählen. So ist eine Verzahnung zwischen naturnahem öffentlichem Grün und den betriebseigenen Flächen möglich.
Auch Spaziergänger und Radfahrer nutzen ausgiebig dieses Betriebsgebiet für ihre Ausflüge und genießen die neu entstandene Farbenpracht.
Vor jeder Planung steht die Bestandsaufnahme. Mitplaner Fritz Hilgenstock entnimmt eine Bodenprobe mit dem Spaten.
Das schafft nicht einmal der klassische Naturschutz in freier Landschaft.
4287 m²
4262 m²
1345
400
115
16
11250
Blumenwiesen in 13 Mischungen
Wildblumensäume in 11 Mischungen
Wildstauden in 39 Arten
Wildgehölze in 35 Arten
heimische Straßenbäume in 8 Arten
einzelne, zusätzlich gesäte Wildblumenarten
frühlingsblühende Zwiebeln und Knollen
Auf rund 9164 m² entstehen insgesamt 15 Einzelflächen, die mit heimischen Wildpflanzen neu gestaltet und renaturiert wurden.
Damit generieren allein die gemeindlichen Maßnahmen einen Basisbiotopverbund von hoher Qualität und Wert und dürfte in dieser Konsequenz europaweit einmalig sein und ist beispielhaft für andere Ausweisungen von Gewerbegebieten.
Auf Wunsch der Gemeinde wurden auch alle Rand- und Grenzflächen, die an das Gewerbegebiet anschließen, in die naturnahe Umgestaltung einbezogen. Dadurch entstanden weitere Lebensräume im Rahmen des Programms Naturvielfalt in der Gemeinde.
Platterbsen-Mörtelbiene – einer der hochgradig gefährdeten Futterspezialisten – im naturnahen öffentlichen Grün von Rankweil.
Der Insektenspezialist Timo Kopf kartierte im Auftrag der Vorarlberger Landesregierung (Abt. Umwelt,
Natur und Umweltschutz) diverse, seit 2011 in Rankweil, neu angelegte naturnahe Grünflächen,
auch die im neuen Gewerbegebiet.
94 Arten von 1762 Individuen wurden gefangen. Das sind beachtliche 31 % der etwa 300
Wildbienenarten Vorarlbergs, ein, wie Timo Kopf bemerkt, "großer Artenumfang"
5 Arten wurden bislang noch gar nicht in Vorarlberg nachgewiesen
7 Arten sind in Vorarlberg sehr selten
Von vielen Arten wurde nur ein Exemplar gefangen
Es ist also zu vermuten, dass noch mehr Arten im naturnahen öffentlichen Grün vorkommen.
Anm. der Redaktion: Reinhard Witt liegen Wildtiere am Herzen. In seinem Buch Natur für jeden Garten konnte er nachweisen, dass naturnahe Privatgärten erheblich zum Artenschutz beitragen. Naturnahe Gewerbe- und Industrieflächen zeigen, dass hier genauso effektiv Artenschutz betrieben werden kann. Sie sind zwar meist nicht so vielfältig, struktur- und pflanzenreich wie Privatgärten, dafür aber sehr viel größer – auch hier kann Biodiversität in einem hohen Maß gefördert werden.
Wir stellen fest:
Impulszone Römergrund, Appenzellerstraße, A - 6830 Rankweil
Ansprechpartner Bürgermeister Martin Summer, Am Marktplatz 1, A - 6830 Rankweil
Raupe des Schwalbenschwanzes – gefunden während der Pflegemaßnahmen im Gewerbegebiet
Was eine naturnahe Begrünung für die Tierwelt bedeutet, belegen eine Reihe wissenschaftlicher Begleituntersuchungen an wichtigen Tiergruppen wie Laufkäfern oder Wildbienen. Natürlich wollen wir auch wissen, ob die Besiedlung neuer Flächen anders verläuft als die bereits bewachsener.
Das wurde angelegt:
Östlicher Streifen, Auffahrtsdreieck vor Autobahnauffahrt (AB) Bregenz, Westlicher Streifen an AB-Ausfahrt Rankweil und 2 Inseln für Zebrastreifen. Nördliche Insel, Südlicher Streifen Einfahrt Betriebsgebiet/AB-Böschung, Streifen gegenüber AB-Ausfahrt Rankweil, Oststreifen, 2 Mittelstreifeninseln, Weststreifen, Einfahrt Betriebsgebiet. Streifen entlang Appenzellerstraße, Durchfahrt Betriebsgebiet, Böschung Betriebsgebiet/AB-Böschung, Wildblumenwall zum Wohngebiet, Diverse Wildblumensäume und Wiesen
Und das ist die Vorgehensweise:
Zuerst wird eine Bodenprobe genommen. Danach wurden, laut Planung von Reinhard Witt, sämtliche Verkehrsstreifen in und am Betriebsgebiet in magere Blumenwiesenbiotope umgewandelt. Der Wandkies stammt von der Baustelle im Betriebsgebiet.
Als nächstes werden die Randflächen im Umfeld renaturiert. 35 m² mehr Naturnah!
Viel Arbeit bedeutet die ökologische Aufwertung und Renaturierung der 2300 m² großen, artenarmen Grasböschung zu einer artenreichen Fett- oder Magerwiese.
Als letztes wird mit einem mageren Aushubmaterial eine 433 m lange und meist 10 m breite Wallhecke mit nährstoffarmen Blumenwiesen und Wildblumensäumen als Lärmschutz aufgebaut, bepflanzt und besät.
Das schafft allein 4326 m² Naturschutzfläche
Vorbildlich in Aktion:
links Reinhard Witt, rechts Mitarbeiter des Bauhofs Rankweil und angehende Naturgartenprofis beim Pflanzen der Wildsträucherhecke auf dem Wall neben der Siedlung.
Im März 2014 wurden die Gehölze gepflanzt – im April die Wildblumenflächen eingesät.
Was kann man da erwarten?
10-12 Wochen später blühen die schnellen Einjährigen
Diese Flächen müssen natürlich gepflegt werden.
Nelkenleimkraut. Eine der Zauberpflanzen aus dem Buch Nachhaltige Pflanzungen und Ansaaten von Reinhard Witt.
Der Wildsträucherwall mit seinen insgesamt 12 verschiedenen Wildblumensaumeinsaaten macht sich bereit für eine lange Blütezeit und wird seitdem gerne besucht und vor Ort bestaunt.
Funktionierender Artenschutz –
Die ersten Raritäten tauchen auf
Hier ein seltener Zwergbläuling.
Die Artenanreicherung…
"Schaukt abä guaat aus", würde der Bayer sagen.
"Schaut obba fei echt gut aus gell?" der Franke. (Anmerkung der Redaktion ;-))
Seit 1995 existiert in der Schweiz eine gleichnamige Stiftung – gegründet und getragen vom Bund – von verschiedenen Firmen sowie Mitgliedern der Schweizer Naturgarten-Organisation. Sie berät und zertifiziert zum Thema. Die Stiftung Natur & Wirtschaft verleiht Ihr Qualitätslabel an Firmen, welche die Natur auf ihrem Areal fördern. Ziel der Stiftung ist es mehr Farbe, Leben und Vielfalt auf Firmenareale zu bringen. Mehr Informationen unter: www.naturundwirtschaft.ch.
Seit 1985 gab es auch in Deutschland erste Einzelprojekte (speziell Blumenwiesen, z.B. im Außengelände der Klinken Schmieder in Gailingen). Die Flächen sind bis heute vorbildlich. Auch Rieger-Hofmann arbeitet seit über 20 Jahren mit Blumenwiesenansaaten in Gewerbe und Industrie, so etwa 2005 bei der Allianzarena in München.
48 % der Gesamtfläche wurden naturnah, 52 % bebaut und betongepflastert.
Der Neubau wurde mit verschiedenen artenreichen Blumenwiesen, Wildstaudenbeeten, Naturnahen Rosen, Hecken aus heimischen Gehölzen, nicht versiegelten Parkflächen und einer natürlichen Regenwassernutzung (mit Biotopfunktion) und anschließender Versickerung versehen. Bis heute hat sich das Projekt bewährt und sehr gut entwickelt. Neben den ästhetischen und ökonomischen Aspekten (optisch ansprechend und sehr kostengünstig) hat sich die Anlage auch aus naturschutzfachlicher Sicht bewährt. So gehören neben einer Unzahl von Wildbienen, Hummeln, Heuschrecken und Co. auch Laubfrosch und verschiedene Tagfalter, wie Bläulinge zu den regelmäßige Besuchern.
2006 kam das Biohotel Hohenbercha dazu. 2008 startete ein Pilotprojekt mit E.ON. Der Stromkonzern begann umzudenken im grünen Bereich. Er produziert "Natur unter Strom".
2014 begann das Groß-Projekt in Rankweil. Die naturnahen Grünflächen im öffentlichen Bereich von Rankweil in Vorarlberg weisen in die Zukunft.
2015 ein neuer Paukenschlag. Die 2,2 Hektar naturnah gestaltete Freiflächen von Scherzer Gemüse in Dinkelsbühl machen bereits 14 % des Flächenverbrauchs aus, das ist bundesweit rekordverdächtig und vorbildlich.
Mehr Natur & Wirtschaft? Schon allein aus Kostengründen ist das immer eine Überlegung wert
Ein Schwalbenschwanz im Umspannwerk Bürs der Vorarlberger Illwerke.
Inzwischen steigt das Interesse und es gibt diverse Exkursionen und fachliche Führungen in das Gewerbegebiet von Rankweil. Viele umliegende Gemeinden sind neugierig und möchten das Konzept übernehmen.
Rechts im Bild: Vertreter der Landesregierung, des Ökologieinstitutes, der Wirtschaftskammer und den Gärtner- und Gartenbauverband Vorarlberg.
Mohnrot als Anfang
Unter zwei Hochspannungsmasten war Platz für weitere Säume. Sage noch mal einer, dass es unter Stromtrassen nicht schön sein kann.
…der zuvor stark graslastigen Wiesenböschung war erfolgreich –
man sieht streifenweise, was einmal überall sein soll.
Auch der Wildblumen-Wildsträucherwall vor dem Wohngebiet macht sich
12 verschiedene Saummischungen stehen hier, zum Anschauen, Verstehen und Nachmachen. Sehen Sie rechts den Distelfinkenschwarm, der schon Mitte Juni fleißig am Ernten ist? Seit 2011 sind sie in Rankweil zu hören und zu sehen.
Schwebfliege auf Nickender Distel Carduus nutans
Ein Wildblumensaum wie er im Buche steht
Diese Blume trägt ihren Namen zu Recht: Prachtnelke
Kennen Sie die schon? Nur zu finden in einem naturnahen Gewerbegebiet.
Auf der Konferenz der Vereinten Nationen für Umwelt und Entwicklung (UNCED) verabschiedete die Staatengemeinschaft 1992 in Rio de Janeiro das Übereinkommen über die Biologische Vielfalt (Convention on Biological Diversity, CBD), dem inzwischen 189 Staaten beigetreten sind.
Deutschland hat das Übereinkommen 1993 ratifiziert. Neben der Klimaschutz-Konvention ist die CBD das weltweit ambitionierteste Abkommen für eine nachhaltige Entwicklung, das die Mitgliedsstaaten verpflichtet, jeweils nationale Strategien zu entwickeln (CBD, Artikel 6).
Deutschland hat 2007 die Nationale Strategie zur Biologischen Vielfalt per Kabinettsbeschluss in Kraft gesetzt.
Die Bundesländer stellten im Folgejahr eigene Pläne zur Erhaltung der biologischen Vielfalt mit landesweiter Schwerpunktsetzung vor.